Ausstellung: „Tatort Kambodscha – Einer Fälschung auf der Spur“, Köln

Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln

02. Juni – 06. August 2017

Im Fokus der ersten Ausstellung der neuen Reihe “Blickpunkt” im RJM steht die Steinskulptur einer Khmer-Göttin. Ihr Aussehen besticht durch eine gestalterische Harmonie und Raffinesse, der ein westliches Publikum zunehmend erliegt. Folglich boomt der weltweite Handel mit der Kunst des alten Khmer-Reichs (9. bis 15. Jahrhundert).

Ausgehend von der wahren Geschichte dieser vermeintlich originalen Steinskulptur und den Forschungen der Ethnologin Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin, Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen, setzt sich die Ausstellung u.a. mit der Herstellung und Entdeckung von Fälschungen auseinander, der Rolle des internationalen Kunstmarkts, dem Ausverkauf des kulturellen Erbes Kambodschas.

Die Fälschung im Zentrum

Den Raum prägt im Zentrum die Inszenierung einer thailändischen Galerie, in der die Skulptur erworben worden war. Neben dem Hauptptobjekt der Ausstellung und weiteren Stücken aus der Sammlung des Museums, verstärken rote Sessel und Orchideen die Atmosphäre eleganter, kostspieliger Geschäftigkeit. Der Besucher kann hier Platz nehmen, Bücher über die Kunst der Khmer lesen und die konkrete Geschichte der Entlarvung der Fälschung nachvollziehen.10_IMG_7547_b1_www

Zwei Rahmenthemen

An den Wänden um die Galerie herum entfalten sich zwei Themenbereiche: “METAMORPHOSEN – Von der Kopie zur Fälschung: Wie entsteht eine Fälschung?” und “SCHICHTEN UND GESCHICHTEN: Wie entdeckt man eine Fälschung?”. Sie betten die konkrete “Entlarvung ein Fälschung” in einen größeren inhaltlichen Kontext, um dem Besucher z.B. einen Eindruck von Arbeit und sozialer Stellung kambodschanischer Steinbildhauer zu geben und aufzuzeigen, dass viele Werkstätten völlig legal Kopien alter Khmer-Skulpturen für z.B. Hotels und öffentliche Einrichtungen herstellen. Es wird herausgearbeitet wie legale Kopien eine immense Wertsteigerung bis zu ihrer Transformation in Fälschungen erfahren.

Essentiell dafür ist nicht nur die Steinskulptur, denn die Gratwanderung zur kriminellen Tat passiert durch die Herstellung falscher Dokumente, die einer Figur eine lange “Lebensdauer” attestieren sollen. Die Bedeutung dieser illegalen Dokumente wird in der Ausstellung durch eine Installation versinnbildlicht: ein Vorhang bestehend aus “Zertifikaten”. Er grenzt die Galerie erstens räumlich vom Umfeld ab und ermöglicht dem Besucher durch unterschiedliche räumliche Perspektiven neue Sinnzusammenhänge zu entdecken.

003_IMG_7535_b1_www

Der zweite Themenbereich “SCHICHTEN UND GESCHICHTEN” wirft einen Blick auf das Wissen, das notwendig ist, um eine Steinskulptur als nicht echt benennen zu können.
Von Makro zu Mikro, geradezu vom großen Ganzen ins kleine Detaillierte “seziert” die Kölner Geologin Dr. Esther von Plehwe-Leisen mit den Augen die einzelnen Schichten einer Skulptur von der Oberflächenbetrachtung über die Sichtweise mit einem Videomikroskop bis hin zur computertomografischen Aufnahme, um die dahinter liegenden GEschichten erkennen und bewerten zu können. Wichtig ist hier neben der naturwissenschaftlichen Untersuchung auch z.B. die Kenntnis von Werkzeugen, deren Spuren, den Abbaumethoden der alten Khmer in historischen Steinbrüchen und vieler weiterer Forschungsfelder.

Im Fokus

Einzelne vertiefende Themen “Im Fokus” ergänzen die Sonderschau: “Der Schutz des Kulturellen Erbes”, auf einem Tisch dargestellt, lädt den Besucher ein, in Büchern über Kodizes und Internationale Vereinbarungen zu lesen und dabei auf einem der vielen knallroten Hocker Platz zu nehmen. Der Fokus “Original – Kopie – Fälschung” und “Kambodschanische Perspektiven” kann ebenfalls von hier aus angeschaut werden.

Rote Sitzgelegenheiten

Verbindende Elemente im von MI entwickelten inhaltlichen und gestalterischen Konzept sind die Sitzgelegenheiten der Ausstellung:
die roten Sessel in der “Galerie”, die glänzend roten Hocker im “Fokus”-Bereich und ein rotes ausgeblichenes Plastikhöckerchen aus einer kambodschanischen Steinbildhauerwerkstatt, die der Besucher benutzen kann und soll. Sie machen ihn dadurch zum Teilnehmer an den dargestellten Prozessen um unbewusst oder bewusst erworbenes echtes bzw. gefälschtes Kulturgut. Denn jeder hat z.B. im Urlaub bereits ohne viel Nachdenken Souvenirs gekauft, doch wahrscheinlich ohne einen Gedanken an die Geschichte hinter dem Stück …

So löst sich hinter diesem konzeptuellen "roten Faden" auch das Fragezeichen hinter dem Titel der Ausstellung auf: Nicht nur das Herstellerland Kambodscha ist Tatort – der Handel mit gefälschten und echten Skulpturen, was die Nachfrage nach originalem Kulturgut voraussetzt (!), existiert in einem weltweiten Netz.

 

Sprachversion: Deutsch

Fotos und Modelle: Marie-Helen Scheid

https://museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/Sonderausstellungen

(2017)

PROJECT INFO

Category: curatorial work .exhibition concept .exhibition design .